Historischer
- Bericht über die Begehung der Haute Route durch Österreichische Heeresbergführer. |
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Bauer-Batschi |
In der Zeit vom 27.4.63
- 13.5.1963 unternahmen fünf Heeresbergführer eine Westalpenfahrt
mit dem Ziel, neben der Besteigung des Mont Blanc die Haute Route anlässlich
der hundertsten Wiederkehr zu begehen. Die erste Begehung erfolgte als
Sommertour ohne Schi im Jahre 1863, die erste Winter-begehung erfolgte
im Jahre 1903. Die Route führte von Chamonix über Orsiere und
Zermatt nach Saas Fee.
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Holzer-Pfeil |
Kröll Sepp |
Hönigsberger Franz |
Walser Willi |
Begünstigt durch gute alpine Verhältnisse und sorgfältig getroffener Vorbereitungen konnte diese Bergfahrt erfolgreich und unfallfrei durchgeführt werden. Dabei wurden von den Teilnehmern insgesamt 10 Hochpässe mit einer Durchschnittshöhe von 3.300 m überschritten und einschließlich des Mont Blanc, 6 Berge über 4.000 m Höhe bestiegen (drei davon über 4.500 m).
Die Tour gliederte sich wie folgt: 27.4.: Anreise nach Chamonix über Zürich und Genf. Der Französische Heeresbergführer Michel Lerroy wies uns als Unterkunft bei der Ecole Militare Haute Montagne ein Zimmer zu, welches uns für die nächsten Tage als Basislager diente. (Michel war uns durch seine Teilnahme an zwei Kursen im Wilden Kaiser und in den Zillertaler Alpen) bekannt. |
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28.4.: Ein strahlend schöner Tag. Mit Vorfreude marschierten wir durch die Stadt zur Seilbahn auf die Aiguille du Midi, um dort mit Schreck festzustellen, dass auch andere Leute dort hinauf wollten. Platznummern zeigten uns, dass wir erst um 12 Uhr Mittag zur Auffahrt dran waren. Diese Zeit nutzten wir zu einem Stadtbummel. Spaß sollte auch sein und wer kann schon an hübschen Mädchen vorbei gehen. |
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Ein unermesslich schöner Rundblick tut sich dort oben auf. Fast zum Greifen nahe steht da der Mont Blanc, der das erste Ziel unserer Bergfahrt sein sollte. Wild zerrissen die Gletscher, aus deren Eis die Gipfel herausragen. Hell im Sonnenlicht funkelnd konnten wir im Glacier des Bossons auf einem Felsporn die Grande Mulets-Hütte erkennen. Weit hinten im Osten sahen wir das Matterhorn. Unsere Gedanken weilten schon voraus. Eine hochalpine Piste war es, die die vielen Schifahrer des Schönwettertages an heimtückischen Spalten vorbei ohne jede Markierungsstange ins Tal leitete. Wir genossen die Abfahrt über das Mer de Glace und Valle Blanche. |
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29.4.: Mit der Seilbahn zur Aig. du Midi bis zur Mittelstation. Kurz nach Beginn des Aufstieges zur Grand Mulets-Hütte trafen wir einen Ulmer, der gerade von oben kam. Kurzer Plausch über die Verhältnisse und weiter. Die Spur führte vorerst unter der Seilbahn hinauf und biegt unter der fast senkrecht aufragenden Aig. du Midi nach rechts zum Glacier des Bossons. |
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links vom Gipfel brach das Eis |
Plötzlich
ging alles recht schnell: Als die Sonne wieder zu uns durchdrang, saßen wir ganz belämmert auf unseren Rucksäcken und keuchten, husteten, erbrachen. Jeder hatte vollkommen abgeschlossen gehabt. Warum es uns tatsächlich nicht erwischt hatte, sahen wir kurz später. Oberhalb von uns war noch eine Quermulde. In die hatte sich die so steil herunterschießende Eis-und Schneemasse mit aller Wucht hinein gestaut. Nur der Luftdruck, der mit der Gewalt einer Explosion nach allen Seiten auseinander barst, fegte über uns hinweg. Bei der Monte Rosahütte trafen wir den Ulmer wieder. Er war, als die Lawine brach, bereits in der Seilbahngondel. Er sprang heraus, fotografierte und dachte dabei, "vo dene bleibt ou nix mehr übrich!" Und wir dachten nicht daran, ihn um die Zusendung von Fotos zu bitten. Echte Angst jagte uns danach über die breiten Lawinenkegel unter den aufragenden Felsen, bis wir aufatmend den Bossonsgletscher betraten. Die Hütte steht auf einem Fels- sporn und ist nur kletternd erreichbar. (3.051 m) |
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30.4.: Frühstück um 1 Uhr Früh. Nächtlicher Aufstieg über Petit Plateau und Grand Plateau. Dazwischen wieder ein Knall und im Schein der Stirnlampen sahen wir die Eisknollen vorbeirollen. Bei der Vallot-Hütte (4.362 m) rasteten wir, wechselten die Schi mit Steigeisen. In der Hütte lagen drei deutsche Burschen in den dort lagernden "Decken" eingehüllt. Sie waren ziemlich erschöpft und wollten nicht mit uns reden. Sie würden schon weitergehen, aber jetzt brauchen sie mal eine Pause. Wir standen nach 7 Stunden Aufstieg am Gipfel und freuten uns. |
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Anschließend bestiegen wir auch noch den Dome du Gouter (4.302 m). Die Abfahrt
auf unserer Aufstiegsroute war ein Erlebnis, müde querten wir hinüber
zur Seilbahn und müde und wie tote Fliegen gingen wir in Chamonix
unserer Unterkunft zu. |
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1.5.:
Ruhetag.
Wir haben zu viel Zeug mit. Nach der gestrigen Besteigung wussten wir, unsere Ausrüstung ist zu reichhaltig. Wir überprüften unsere Ausrüstung vor dem Verlassen von Chamonix zum Aufbruch auf die Haute Route. Es war uns klar, wir mussten übriges Gepäck nach Hause schicken. Hinter uns lagen nun die noch durch Sprachhindernisse gewürzten Verhandlungen mit Beamten bei Post und Bahn, denen wir am Feiertag ein lästiger Zwischenfall waren. Es war der erste Mai. Es war keine Gepäckaufgabe möglich. Mit unserem Pappkarton, in dem wir alles eingepackt hatten was nach Hause sollte. zogen wir wieder ab. Bei einem Tischchen vor einem Cafe setzten wir uns - und hatten gleich darauf unseren Karton los. Am Nebentisch saßen Tiroler. Ein Ehepaar auf Urlaubsfahrt. Und diese beiden nahmen uns den Karton auf ihrer Reise mit. Nach Italien wollten sie noch. Als wir heimkamen, war unser Zeug schon in Innsbruck. |
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2.5.:
Von Argentiere mit der Seilbahn auf Lognan. Von dort bei zunehmend schlechter
werdenden Wetter bei Nebel und Schnee über den Argentiere-Gletscher
zur Argentiere-Hütte. (2.771 m) Dabei erfuhren wir etwas Neues, nämlich
die Spur aus dem Nichts. Mit der Bimmelbahn und dem Lift kamen wir zu
Lognan. Im dicken Nebel querten wir einen Hang, der uns gar nicht gefiel.
In der Fußspur, die uns entgegen kam, zogen wir unsere Schi durch
den Neuschnee. Eine Fußspur. Wieso. Aber dann kam das nächste
Rätsel. Plötzlich hörte die Spur auf. Es war wohl auf einer
Stelle etwas ausgetreten, aber hier hörte die Spur auf. Sie ging
nicht zu diesem Punkt hin, sie kam von der Stelle aus. Das konnten wir
uns wirklich nicht erklären. Im beginnenden Schneefall, der immer
dichter wurde, bewegten wir uns drei Stunden lang durch das Nichts. Dann
standen wir vor der Hütte. Deutsche und italienische Bergsteiger
musterten uns bei unserem Eintreten. Die Hütte war nicht bewirtschaftet,
ungeheizt, unwirtlich. Hier wurden wir durch das Wetter vorerst festgehalten.
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3.5.:
Der nächste Tag galt einem Wettkampf der Nationen. Vier Nationen traten zum Watschelen an. Im Gastraum, dem ungeheizten. In unseren Daunenjacken und der Wollmütze auf. Von den anderen Bergsteigern erfuhren wir, was es mit der Spur auf sich hatte, die uns so narrte. Ein Fallschirmspringer war dort gelandet. |
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4.5.: |
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5.5.: Aufstieg bei herrlichem Wetter zur Valsorey-Hütte (3.030 m) Als wir ankamen, waren wir einige Zeit ganz alleine dort, richteten uns im Lager ein und genossen die Aussicht. Die Wirtin kam an. Eine freundliche, sehr fesche Frau. Aber es war Sonntag. Und hier lernten wir erstmals so richtig die Selbstherrlichkeit der Schweizer kennen. Bis zum Abend war die Hütte übervoll. Wir wurden gleich gefragt, was wir tun, vorhaben und ob wir das überhaupt können. Das war dann tatsächlich jeden Tag gleich. Schweizer Männer gaben sich in unguter Art und erweckten den Unmut aller anderen. Es waren auch Tiroler und Bayern angekommen, die übrigens dann mit uns bis Zermatt weitergingen. Unser Rudi gab dann im Lager einen Kurzvortrag über Höflichkeit im Allgemeinen und unter Bergsteigern im Besonderen. Ich war im Lager bereits platt an die Wand gedrückt, als ein dicker Kerl sich an den Rand des Massenlagers stellte und sagte: "da machchch ichch jätzt einen Hächchcht hineinn!" Da klemmte ich meinen Schlafsack unter den Arm und wanderte in die Küche, wo ich mit zwei Schweizer Bergführern auf einer Bank übernachtete. Die zwei Führer, die uns vorher misstrauisch über unser Vorhaben ausgefragt hatten, so als wären sie die wahren Meister und wir nur kleine Lichter, wurden plötzlich freundlich, als sie erfuhren, dass wir Heeresbergführer sind. Der Bann war gebrochen, als sich noch herausstellte, dass wir Freunde vom Schlömmer Leo sind. Von dem sprachen sie mit großer Achtung. |
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6.5.:
Über den knallharten, sehr steilen Aufstieg, eine "Himmelsleiter", und über die Wechte zum Plateau du Coloir (3.661 m), Sonadon-Gletscher, Col du Sonadon, Abfahrt über den Durant- Gletscher zum Grand Chermontane (2.300 m) Entschluss: 2 Etappen zusammen-legen, also weiter. Vorbei an der Chanrion-Hütte, weiterer Aufstieg über den 12 km langen Ottemma-Gletscher und Col de Chermatone zur Vignette-Hütte. (3.157 m) In sengender Sonnenglut. Hier biwakierten Tage vorher Bergsteiger, weil sie die Hütte nicht fanden). 12 Stunden unterwegs. |
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7.5.: Aufstieg über Mont Collon-Gletscher zum Col de L`Evec (3.392 m), Abfahrt über Arolla- Gletscher, Aufstieg zum Col du Mont Brule (3.213 m), Abfahrt auf den Tsa de Tsan-Gletscher, Aufstieg auf das Col de Valpeline (3.568m). Lange Abfahrt über Stock-Gletscher, Tiefmatten-Gletscher, Zmutt-Gletscher zur Staffelalp. Abstieg nach Zermatt (1.616 m) 11 Stunden. Und niemand wollte uns haben. Ein weißes Bett, aber nach harten Verhandlungen. Die Ortschaft war wie ausgestorben. Es gab keine Fremden. Zermatt war gesperrt. Das war die Auswirkung der Typhusepedemie, die vorher den Ort befallen hatte. Nach langen Verhandlungen durften wir doch zur Nacht bleiben. Hunger, Durst und Müdigkeit, Erinnerungen ließen den Eindruck über die ersten Schwierigkeiten in Zermatt vergessen. Vorher hatten wir noch gelacht über Ettenhuber Sepp, einen Urbayern. So wie hier auf dem Bild kam er lachend und als ihm Willi noch eine Flasche Bier in die Hand gedrückt hatte, überglücklich an. Nach einem Bad saß eine laute Gesellschaft um die vollen, dampfenden Schüsseln. Das gemeinsame Erlebnis belebte die Unterhaltung. Ein weißes Bett wartete. |
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8.5.:
9.5.: 10.5.: Wegen Schlechtwetter festgehalten. |
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11.5.: |
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12.5.: Die Tour war zu Ende. |
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Die Tour bot bergsteigerisch gesehen eine reiche Abwechslung von Aufstiegen und Abfahrten über lange Gletscherflächen, durch wild zerklüftete Eisbrüche, über steile Flanken und Lawinenhänge. Manchmal halfen nur mehr die Steigeisen, von einer Scharte musste abgeseilt werden. Manche Strecken konnten nur mit Hilfe von Karte und Bussole gefunden werden, wobei die Strecke zur Britaniahütte wohl die schlimmste war und ich für mich dachte, ein Wunder, dass wir da her fanden. Dreimal waren wir gezwungen, unser Tagesziel bei widrigstem Wetter zu erreichen. Manchmal war der Schnee das, was wir als "lehrreich" bezeichneten. Schwer oder Bruchharsch. Wir lernten, die dort herrschenden Entfernungen richtig einzuschätzen und in Bezug auf notwendige Ausrüstung und Gewicht für solche langen Touren war die Erfahrung bereichert. Ein Nachspiel
hatte es noch zu Hause. Natürlich waren wir faltig und braun geworden
durch die intensive Sonnenbestrahlung und durch das diffuse Licht an
Nebeltagen. Ich war unheimlich schwarz im Gesicht. Und tiefe Falten
ließen es wie einen verschrumpelten Apfel aussehen. So kam ich
nach Hause. Schon als ich das Haus betrat, gab es den ersten Zwischenfall.
Frau Moser aus dem obersten Stock kam mir entgegen und prallte mit einem
Schrei zurück. Erst als sie meinen Gruß vernahm, meine Stimme
erkannte, fand sie sich wieder. Sie dachte, ein Neger kommt da bei der
Türe herein. |
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